2018: Sie kommen, wenn alle gehen

Wer am Sonntagvormittag nach dem Thunfest durch die Innenstadt schlendert, wird kaum bemerken, wie hoch es wenige Stunden zuvor in den Gassen und auf den Plätzen zu und her gegangen ist. Das ist das Verdienst des Teams vom städtischen Tiefbauamt. Sie kommen, wenn die Partylöwen gehen.

Nein, die Ankündigung der letzten Runde hat keine Begeisterungsstürme ausgelöst. Aber schier einen Bar-Sturm. Zu gut ist die Laune, zu lau ist die Sommernacht auch in den frühen Sonntagmorgenstunden noch, als dass sie jetzt schon zu Ende sein könnte. Also: Noch ein letztes Bier und die letzten Takte Musik geniessen. Und als auch diese verstummt, wird in der Thuner Innenstadt selber weiter gesungen. „Mir gö no lang nid hei, mir hei no 15 Stei…!“

Szenenwechsel: Draussen im Werkhof des städtischen Tiefbauamtes trudelt die knapp 30-köpfige Aufräum-Crew um Werkhof-Leiter Markus Graf ein. 3.30 Uhr ist Besammlungstermin für die grösste jährlich stattfindende Aufräumaktion des Teams. Seine Aufgabe: Die Stadt nach dem Thunfest, dem grössten jährlich wiederkehrenden Anlass in Thun, wieder auf Vordermann zu bringen. Wenn rund 80000 Menschen ein Thunfest besuchen, tut der grössere Teil dies jeweils in der Nacht von Samstag und Sonntag. Die Vorgabe ist klar: Bis Feierabend – das wird irgendwann um 11 Uhr sein – muss die Stadt soweit sauber sein, dass niemand mehr merkt, dass wenige Stunden zuvor zehntausende ausgelassen gefeiert haben.  

 Vom Werkhof aus macht sich die Reinigungscrew – Strassenreiniger, Auf- und Abbau-Team, Abfallentsorgung sowie die Kanalgruppe, die für WC-Anlagen zuständig ist – auf in die Innenstadt. „Ja, du darfst den Begriff ‚ausschwärmen‘ verwenden“, antwortet Markus Graf auf die Frage, ob man davon sprechen könne, dass „sein“ Team regelrecht in die Innenstadt ausschwärme. Dieses Ausschwärmen passiert allerdings sehr wohl organisiert: Los gehts im Bälliz-abwärts und dann quasi im Gegenuhrzeigersinn durch die Innenstadt via Marktgasse Untere Hauptgasse, sowie Gerberngasse auf den Rathausplatz, die Obere Hauptgasse hoch, Freienhofgasse, Oberbälliz, Waisenhaus und Mühleplatz – bevor am Ende noch der Aarefeldplatz wartet. „Wenn wir dort ankommen, sind die letzten Festbesucher schon mit den ersten Zügen auf dem Heimweg“, sagt Graf. Auf dem Mühleplatz, so Graf, halte sich der Aufwand für sein Team trotz des jeweils enormen Gedränges während dem Fest in Grenzen. „Die Mühleplatzwirte machen da einen wirklich guten Job, räumen zügig und reinigen den Platz selber“, sagt Graf, im Wissen darum: „Schliesslich wollen die am Sonntagvormittag wieder wirten.“

Auch wenn für die Reinigung der Innenstadt eine grosse und vier kleine Wischmaschinen eingesetzt werden, sowie ein Abfallfahrzeug, so ist doch der grösste Teil der Arbeit immer noch Handarbeit. Der Abfalllaster belädt sich nicht von alleine, der Dreck aus den Ecken kommt nicht alleine vor die Wischfahrzeuge – und die Toiletten-Anlagen sind auch nicht selbstreinigend. „Ohne Handarbeit geht gar nichts“, sagt Markus Graf. Freilich: Seit der Einführung der Mehrwegpflicht habe die Abfallmenge „massiv“ abgenommen, sagt Graf. „Am schlimmsten ist es nach wie vor im Oberbälliz – weil wir dort halt auch all jenen Müll einsammeln müssen, den Festbesucher von daheim oder Shops unterwegs mitbringen.“ Stichwort: Glasflaschen. Diese mitgebrachten Flaschen – von Bier bis zu Hochprozentigem ist da alles zu finden – sind indes nicht nur für den Verein Thunfest, der das Fest veranstaltet, ein Ärgernis, weil die auf Kosten des Vereins entsorgt werden müssen. „Sie sind auch gefährlich“, sagt Graf, und erinnert sich an eine junge Frau, die in den frühen Morgenstunden nur mit Flipflops am Fuss in eine zerschlagene Flasche getreten ist. „Das sah ganz übel aus, sie hat sich eine tiefe Wunde in der Ferse geholt“, sagt Graf, „sodass unsere Männer für eine kurze Zeit vom Reinigungs- zum Ersthelfer-Team wurden, bis Sanitäter eintrafen.“

Ansonsten, so betont der zweifache Familienvater, der heuer zum zehnten Mal die Aufräumarbeiten nach dem Thunfest koordiniert, seien die Begegnungen mit den letzten Festbesuchern „in der Regel“ unproblematisch. „Viele, denen wir begegnen, danken uns für unsere Arbeit“, sagt er. „Manche wollen auch gleich selber Hand anlegen und mithelfen. Aber das ist meistens wenig effizient“, fügt Graf grinsend an, und erzählt, dass es „naturgemäss“ auch jene gebe, die auf einem Bänkli im Bälliz „einen Nuck“ nehmen - „und immer noch herrlich schlafen dort, wenn wir gegen 10 Uhr die letzte Runde machen.“  

Bemerkenswert ist, dass sich der Steffisburger denn auch nicht über mangelnde Bereitschaft in seinem Team beklagen kann, diesen speziellen frühmorgendlichen Einsatz zu leisten. „Im Gegenteil“, betont Markus Graf: „Als wir vor einigen Jahren das Team etwas verkleinerten, weil wir entschieden, gewisse Bauten erst am Montag aus der Stadt abzutransportieren, um so die Kosten zu senken, hatte ich den Eindruck, die Männer, die nicht mehr gebraucht wurden, seien darob nicht gerade glücklich gewesen.“ Doch mittlerweile habe sich das eingespielt - „sodass ich jedes Jahr von neuem auf eine motivierte Truppe zählen kann“, sagt Graf. „Dafür bin ich dankbar.“

 

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